Anfang 2023 habe ich die  Körmeisterin Alexandra Rickens für "Unser Hovawart" interviewt.

Die neuen Körbögen der HZD - Mehr als nur ein Makeover

 

Ein Blick hinter die Kulissen

 

Die neuen Körbögen zur Beurteilung des Wesens bei Verhalten III, IV, Körung und Veteranenkörung sind seit einigen Monaten im Gebrauch. Was haben sie gebracht, uns Hundehaltern, den Körmeistern, unserer Hovawart-Zuchtgemeinschaft? Im Gespräch mit Alexandra Rickens, Körmeisterin der Regionalgruppe West, möchten wir zurück - und dann nach vorne schauen.

 

Alexandra, wie viele Körmeister haben wir in der HZD?

Es sind elf. Dazu kommen drei Körmeister-Anwärter die voraussichtlich im Frühjahr und Herbst dieses Jahres ihre Prüfungen ablegen werden, und dann noch neun Körhelfer. Bei circa 14 Veranstaltungswochenenden im Jahr sind wir alle gut beschäftigt, denn für jede Veranstaltung benötigen wir neben einem Richter zwei bis drei Körmeister und ein bis zwei Körhelfer. Bei Bedarf können auch speziell ausgebildete Zuchtwarte die Beurteilung der Junghunde bei Verhalten II übernehmen.

 

Wie sieht denn die Ausbildung zur Körmeisterin aus?

Ich selbst war ein Jahr lang Bewerberin, liebevoll BuFDi genannt, bin bei den verschiedenen Veranstaltungen mit dem Körmeister im Ring mitgelaufen und habe erste Fragen zum Hund beantworten müssen. Um Anwärter*in zu werden musste man damals entweder schon zwei oder mehr Würfe aufgezogen haben oder wie ich, mindestens sechs Wurfabnahmen begleitet haben. Danach wurde ich offiziell Körmeister-Anwärterin: In den folgenden zwei Jahren hatte ich sechs Anwartschaften zu leisten. Ich musste also bei der Bewertung der Hunde den Körmeister begleiten, des Weiteren ich war als Körhelferin im Einsatz, musste eine Körveranstaltung organisieren und über alles Protokoll führen, was ich erlebt und gelernt habe. Abgeschlossen wurde meine Ausbildung nach zwei Jahren mit dem Bestehen dreier Prüfungen, mündlich, schriftlich und praktisch. In meiner praktischen Prüfung war es übrigens genau wie im richtigen Leben: Da stand der falsche Hundename auf dem Körbogen – zum Glück habe ich das noch gemerkt.
Ach ja, und um zu den Prüfungen antreten zu dürfen war zuvor eine umfangreiche Facharbeit anzufertigen. Dafür hatte ich zuvor drei Monate Zeit.

 

Recht aufwändig.

Ja, das stimmt. Es ist zeitintensiv und auch teuer, denn alle notwendigen Fahrten und Übernachtungskosten habe ich selbst getragen. Bei so viel Aufwand gibt es auch einige Abbrecher.
Der Aufwand ist für „fertige“ Körmeister weiterhin hoch. Jeweils zu Beginn der Saison treffen wir uns zu einer internen Fortbildung. Danach folgen bis zu acht oder mehr Veranstaltungen, auf denen wir unsere Hovawarte sichten und bewerten.

 

Die Corona-Zeiten habt ihr mit der Überarbeitung der Körung ausgiebig genutzt. Warum habt ihr  denn Änderungen vorgenommen?

Es ist uns wichtig, dass alle Hunde unabhängig vom Körmeister vor Ort und den örtlichen Gegebenheiten gleich bewertet werden. Und wir hatten den Eindruck gewonnen, dass wir Körmeister gelegentlich auf unterschiedlichen Pfaden unterwegs waren. Die Bewertung der Hunde sollte also standardisiert werden. Dazu war es nötig, dass die Körbögen erst einmal abbilden, was der Körmeister sieht, bevor am Ende als Schlussfolgerung das gesamte Bild bewertet wird. Wir haben uns hierfür mit Tina Johann eine Tierärztin ins Boot geholt, die auf Wesenstests und die Arbeit mit gefährlichen Hunden spezialisiert ist. Jedes nur denkbare Ausdrucksverhalten haben wir beschrieben, bewertet und in den verschiedenen Kategorien hinterlegt, jede Prüfungssituation haben wir grafisch fest gehalten...

Dazu haben wir reichlich Fachliteratur und Promotionsarbeiten gewälzt, Filme von Wesenstests bewertet usw. Ich weiß jetzt: Selbst das Aussehen der Zunge ändert sich bei verschiedenen Gefühlszuständen des Hundes. Wir haben versucht, wirklich alles einzubeziehen. Es war ein Ringen um Worte und Bilder. Und interessanterweise unterscheidet sich das Ausdrucksverhalten von Hovawart und Mensch gar nicht so sehr. Schaut man sich die Veränderungen des Hundegesichts an und fühlt in sich hinein, wie es einem selbst ginge, wenn man so ein Gesicht zöge, dann ist man ganz dicht an dem, was der Hund ausdrückt.

Die Körung an sich ist nicht neu, auch wenn wir einige Situationen überarbeitet haben. Der „Fahrstuhl“ ist raus, die Anzahl der „Enge“-Situationen dadurch gemindert und die potentiell für die Helfergruppe gefährlichen Situationen sind entschärft. Da muss der Körhelfer ran, der ist dafür geschult und hat ja auch einen Schutzanzug.
Generell nutzen wir unsere Körhelfer und deren Sachkenntnis mehr: Die Besitzer werden von ihnen durch die Prüfung geführt, wie man das von einem Steward beim Obedience kennt. Unsere jungen Körhelferinnen machen das besonders gut und unterstützen uns Körmeister sehr.

Die Belastungssituationen wurden standardisiert und zu einer überschaubareren Prüfsituation verändert. Zum Beispiel ist die Rang anmaßende Geste jetzt ein fester Bestandteil.

 

Wie sieht das denn aus?
Der Körhelfer stellt sich dabei neben den Besitzer und legt seine Hände auf Nacken und Rücken des Hundes. Dadurch wird eine Geste aus dem Kommunikationsverhalten der Hunde imitiert - und von den Hunden auch so verstanden.

Zusammen gefasst betreffen die Änderungen die Gründlichkeit der Bewertung, die sich im neuen Körbogen widerspiegelt. Daran haben wir ein Jahr lang intensiv gearbeitet, uns alle 14 Tage und an vielen Wochenenden via Zoom getroffen.

 

Unsere Hunde sind doch ganz gut. Und für andere Gebrauchshundrassen reicht eine Ausstellung und das Bestehen der BH-VT zur Erteilung der Zuchtzulassung. Nochmal: Warum so ein Aufwand?

 

Die Auswahl der Zuchthunde ist die Stellschraube für die Qualität unseres Nachwuchses. Wir wollen keinesfalls Hovawarte in der Zucht sehen, die zu wenig belastbar oder ängstlich sind. Die allermeisten Beißvorfälle passieren aus Unsicherheit heraus. Es geht uns vor allem darum, die im Standard beschriebene Belastbarkeit sicher zu erkennen und die Zuchtauslese zu verbessern.
Der Rassestandard beschreibt ja überwiegend den Phänotyp, aber auch das Wesen - Naturell, Temperament, Ängstlichkeit, Spielverhalten, Beuteverhalten (der alte „Jagdtrieb“), Impulskontrolle – kann man aus ihm ableiten. Alles das bilden unsere neuen Körbögen ab.
Für die alten Hasen unter den Hovawartleuten ist es neu, wenn jetzt nicht mehr alle Kreuzchen beim Optimum sind. Dazu muss man sagen, dass man natürlich jeden Hund stressen kann, und dass es eine tolerierbare Unsicherheit gibt. Und die benennen wir eben auch.

 

Nun gibt es ja nicht nur genetisch bedingt unsichere Hunde, manche haben vielleicht blöde Dinge erlebt...

 

Ich denke, wir können nur in sehr seltenen Fällen unterscheiden, ob unsicheres Verhalten erlernt oder angeboren ist. Aber das müssen wir das auch nicht. Sind Elterntiere unsicher, dann ist es egal, warum:  Es ist bewiesen, dass Ängstlichkeit sich vererbt.

 

Die ersten Erfahrungen mit den neuen Bögen hat ihr ja schon sammeln können. Was ist dein Eindruck? Haben sich eure Erwartungen erfüllt?

Die neuen Körbögen haben sich bereits jetzt als ein richtig gutes Werkzeug erwiesen. Die Bewertungen sind anhand der Beschreibung auch noch ein Jahr später nachvollziehbar. Es ist auch manchmal sehr gut zu erkennen, wie sich das Verhalten eines Hundes im Verlauf der Prüfung bei anhaltender Belastung ändert.

Wir sind zuversichtlich, dass unsere Arbeit sich auf die Qualität unserer Hunde positiv auswirken wird und wir auch für die Zuchtplanung rascher reagieren können. Sollte etwa der Eindruck entstehen, dass unsere Hovawarte zu ruhig werden, dann kann schnell darauf reagiert werden.
Insofern ist unsere Arbeit Grundlage für die verantwortungsvolle Zucht.

 

 

Dann sollten ja am besten alle jungen Hunde bei Verhalten II vorgestellt werden, entsprechend der Nachzuchtbeurteilung des RZV, oder?

Ja, aber nicht nur zur Beurteilung der Nachzucht. Wir möchten den Junghundebesitzern beistehen und eventuellen Fehlentwicklungen auch in der Erziehung vorbeugen. Da besteht teilweise Beratungsbedarf.

 

Gleichzeitig ist das ein sensibles Thema. Man ist ja stolz auf seinen kleinen Hund und möchte nicht unbedingt hören, dass der Zwerg bereits Erziehungsdefizite aufweist oder etwa übergewichtig ist.

Das ist ja auch richtig so, und ich bin überzeugt, dass ich als Körmeisterin gut darin bin, bei sich abzeichnenden Problemen Perspektiven aufzuweisen. Ich erhalte durchweg positive Rückmeldungen, wenn ich die Junghundbesitzer einlade, zu Verhalten III wiederzukommen.

 

Sollte ich auch ohne Zuchtambitionen meinen Hund bei Verhalten III vorstellen?

Unbedingt! Verhalten III ist doch richtig spannend. In Verhalten III darf man Dinge tun, die sich im Alltag nicht anbieten, etwa mittenmang durch eine Gruppe Jogger laufen. Das ist auch eine Chance zu sehen, wie höflich der eigene Hund ist, wenn er sich mit einem: „Entschuldigung, darf ich mal?“ durch die Gruppe bewegt. Und mal im Ernst: Wo kriegst du so billig einen aussagekräftigen Wesenstest wie bei uns Körmeistern?

 

Macht dir die Arbeit als Körmeisterin immer noch Freude?

Ja, absolut. Zwischendurch war es in Corona-Zeiten mit den notwendigen Hygienevorschriften mühsam. Auch wir Körmeister hatten Angst vor einer Ansteckung, die sich „vor dem Impfstoff“ keiner leisten konnte. Jetzt ist glücklicherweise Normalität eingekehrt, wir treffen uns wieder, und es macht wieder richtig Spaß.
Unsere Überarbeitung der Körung und die Selbstreflexion der letzten beiden Jahre haben sich gelohnt, und wir werden die Qualität weiter hoch halten mit zwei internen Schulungen jährlich und einer externen Schulung alle zwei Jahre. Ich glaube, ich kann für alle Körmeister sprechen, wenn ich sage, dass wir mit Herzblut und viel Begeisterung bei der Sache sind.

 

 In die Zukunft geschaut: Was wünschst du dir von den Hundehaltern und von ihren Hovawarten?

Ich wünsche mir von den Menschen Höflichkeit gegenüber ihren Hunden. Dazu ist eine Kommunikation mit dem eigenen Hund wesentlich. Eine Pause-Signal etwa und eine Aufforderung zum Mitkommen am Ende einer Pause, das wäre toll. 90% der Leute machen, und der Hund muss sehen, dass er hinterher kommt.
Ich wünsche mir fröhliche Hunde, die sich an ihrem Besitzer orientieren, die cool sind, denen man anmerkt, dass sie mit sich und der Welt im Reinen sind. Solche entspannten Hunde verfügen über flexible Lösungsstrategien, das ist total klasse.
Und den Hundehaltern sei nochmal ans Herz gelegt, dass unsere Hovawarte Spätentwickler sind. Unsicherheitsphasen zwischen 14 und 24 Monaten sind normal.

 

Was sollte ich mit meinem jungen Hund für die Prüfung üben?

Für die Wesenstests übt man gar nichts. Fürs Leben gibt es einiges, was ein junger Hund kennen lernen und können muss. Er sollte sich von seinem Besitzer überall anfassen lassen, Rute, Zähne, Hoden, wenn vorhanden, und sich festhalten lassen. Das ist die halbe Miete.
Ein Sprung auf Kommando im Alltag bereits geübt, unterwegs liegen ja auch mal Baumstämme, das wäre schön. Es ist schon unglaublich, wenn unsere kraftvollen Hunde sich mit einer 50cm niedrigen Hürde schwer tun.

Und dann sind manche der vorgestellten Hunde schlichtweg unerzogen. Sie lassen sich nicht abrufen, nicht anleinen, sie klauen Spielzeug und lassen sich das Spielzeug nicht wieder abnehmen. Das ist nicht nur während einer Verhaltensprüfung nervig, wenn ein Hund keine Kinderstube hat, aber da eben auch für mich als Körmeisterin. Ein gut erzogener Hund, das ist ein Leben lang schön.

 

 

Vorstellung der Körmeisterin:

Alexandra Rickens ist seit 2015 Körmeisterin in der Regionalgruppe West. Sie führt seit 1999 Hovawarte, aktuell sind dies Basha aus dem Emscherland und Hanna vom Düringer Moor, mit denen sie im Mantrailing aktiv ist und ein wenig im Obedience trainiert. Seit Anfang 2022 führt sie zusammen mit Sylvia Meenke und Dr. Elke Vorndran die Zuchtbuchstelle der HZD.