Trainingserfahrungen

Ich würde gerne etwas ausholen, im Wissen, dass es Leute gibt, die deutlich mehr Ahnung haben, in Rettungshundestaffeln und bei der Tiersuche unterwegs sind... Überhaupt ist alles, was ich schreibe, völlig subjektiv und ganz sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. 

 

Die Hoviline und ich sind seit 2015 bei einem kommerziellen Anbieter zum Mantrailing, ein Franchise-Unternehmen, das in ganz Deutschland unterwegs ist, Norwegergeschirre und anderes Zubehör mit Schriftzug verkauft und auch ein Prüfungssystem entwickelt hat, von dem wir die ersten vier bestanden haben. Dass Herr Udo Gansloßer ein lobendes Vorwort zum entsprechenden Buch "Mantrailing" verfasst hat und die Firma in Anlehnung an Ausbilder in den USA „Ca-Nine“ heißt, tut ein Übriges zu denken, das müsse auf jeden Fall eine gute Adresse sein. Und wahrscheinlich ist es das auch. Zumindest haben wir jahrelang Spaß gehabt und ich fand meinen Hund ganz wundervoll und klug. DAS ist immer ein gutes Gefühl.

 

Es gibt natürlich auch andere Anbieter in der Region. Auch dort gibt es begeisterte Kunden, die von anspruchsvollen Trails („Neulich, vier Kilometer!“) und ihren wunderbar klugen Hunden berichten. Der eigene Trainer verdreht dann eventuell dezent die Augen und bietet ein Event mit „alten Trails“ an, Liegezeit 48, 72 Stunden, eine Woche oder zwei. Es finden sich Trailgruppen, die einen Kundigen für ein Wochenendseminar eingeladen hatten und seitdem gemeinsam üben. Der Markt ist groß und selbst die DVG hat eingesehen, dass IGP und Fährten nicht so hipp sind wie die Personensuche und bietet nun Prüfungen im Mantrailing an. Diese sagen ausdrücklich nichts über die Eignung als Rettungshund aus und sind nur nach erfolgter Begleithundeprüfung abzulegen. Klar, dass der Hund beim Finden erst belohnt wird, nachdem man sich beim Richter abgemeldet hat.

 

Wir – oder besser: Ich war nun vier Jahre lang glücklich und zufrieden mit meiner tollen Hündin und ihrer Nasenarbeit. Ich habe mich bemüht, das Leinenhandling immer weiter zu verbessern und hatte irgendwann zwischendurch das Gefühl, jetzt wüsste ich via Leinenspannung und Körpersignal des Hundes, was maximal 7,50m weiter vorne los ist. Wie mein Hund denkt, mich mitnimmt. Spurdifferenzierung oder Verleitung, verschiedene Untergründe. Innenstadt, Wildgehege, am Strand, gefühlt alles durch.
Seit letztem Jahr treten wir auf der Stelle. Klar, es gibt auch Durststrecken. Ich war zwischendurch krank, und Corona braucht ja auch niemand. Man legt Futterschleppen und guckt Webinare statt zum Training zu gehen. Eben diese Webinare und Gespräche mit einer Freundin, die bei einem anderen Anbieter in NRW trainiert, der sich, was für ein Zufall, ebenfalls nach den US-amerikanischen Caniden benennt, brachten mich darauf zu überlegen, ob es in unserem Training (und bei unserem Ausbildungsstand) hilfreich ist, wenn die Trainerin, die den Weg der "vermissten Person" kennt, den Hund fernsteuert: "Den Abzweig geh mal nicht mit, bleib stehen und gib ihr nur Leine, siehst du, da kommt sie quer und zeigt ein Negativ". Oder: "Da wollte sie rein, du hast sie nicht gelassen, dabei wäre es auf diesem Weg über Witterung genauso weit gewesen wie auf dem Trail." Das ist ein Single blind-Trail, die Trainerin weiß Bescheid, die Hundeführerin ist ahnungslos. Und macht Fehler. Überhaupt kann der Hund das mit der Nase besser ohne den Treibanker hintendran.

 

 

 

So blöd muss es gar nicht laufen. Die Gruppe geht hinter der Trainerin mit, um zu gucken und mit zu lernen. Der Hund biegt falsch ab, die Trainerin bleibt in der Kreuzung stehen und spart sich die paar Meter. Die Gruppe trappelt nicht mehr hinterher. Der Hund kommt zurück. Ökonomisch, wenn der Weg sich nicht lohnt, oder? Und meistens trainiert man in der gleichen Gruppe. Mit Axel, Silke und Simone, da braucht der Hund nicht mal mehr einen Geruchsartikel zum Anriechen am Start, der zählt durch, wer fehlt. Zumindest hat Abilene das schon getan, und Doro, Constanze, Björn, alle Sabinen und Mirja sind nun auch keine Unbekannten mehr. Ich weiß nicht mehr, von wem das Zitat stammt, man könne nicht nicht kommunizieren, oder die Binsenweisheit, dass unsere Hunde uns lesen können.

 

Also ein Unbekannter, der zu suchen ist, das wäre schön. Herr Schettler geht in seinem Buch „K.9-Trailing“ noch ein Stück weiter und meint, der Hund müsse im Training lernen, verschiedene Stimmungen und Menschen mit unterschiedlichen Erkrankungen (Demenz, Autismus …) zu suchen. Panik, Verwirrung, Glück kann man riechen
Und wenn ich wirklich wissen will, ob mein Hund das kann, was er können soll, dann darf niemand außer der "vermissten Person", dem „Runner“ wissen, wo er ist. Das sei ehrliches Trailen statt sich etwas in die Tasche zu lügen, hat mir die o.g. Freundin schon oft gesagt. Jaja.
Das Webinar "Trailing zwischen Mythos und Wirklichkeit" von einer Trainerin aus NRW hat mich endgültig zweifeln lassen. Eine Frage wie: "Wie kann es sein, dass man beim Mantrailing immer ankommt, obwohl bei jedem anderen Hundesport Fehler passieren?", die konnte ich nicht ignorieren.

 

Ich wollte also überprüfen, ob die Hoviline tatsächlich trailt oder nur gelernt hat, das "Begleitpersonal" perfekt zu lesen.
Die letzten Male schon hat unsere Trainerin schon immer weniger auf dem Trail geholfen und mir anschließend die Fehler gelistet. Das war dann nicht immer schmeichelhaft. (So wenig schmeichelhaft, dass ich mich nach einem anderen Anbieter umsah und einen Probetermin vereinbarte.)
Dann gab es im wöchentlichen Training einen doppelblinden Trail über 100m, den die Hoviline in 1 min 38 sec erledigte, im Wohngebiet mit genügend Verleitungen und zwei Richtungsentscheiden, bei wenig Wind und überwiegend gepflasterten Boden mit einem bekannten Runner. Liegezeit des Trails etwa 10 Minuten. Hurra! Das machen wir nächste Woche weiter.

 

Tags darauf fuhren wir zu der anderen Trainerin. Da wir uns bisher gar nicht kannten, hat sie nicht als erstes einen Trail doppelblind gelegt. Wir waren im Wald, unbekanntes Gebiet, unbekannte "vermisste Person". Die Hoviline stieg aus dem Auto, lief mit hoher Nase einmal um den Parkplatz  und „begrüßte“ die anwesenden Personen und machte sich ein Geruchsbild: Ok, die brauch ich schon mal nicht mehr finden. Am Start lief sie los wie auf Schienen, zack, fertig. Kommentar der Trainerin: "Die weiß, was sie tut." und: "Seid ihr immer so schnell?"
Wenn`s läuft, dann läuft's. Ich bin froh, dass mein Hund nicht nur geschoben als Ziel kommt.

 

Woher ich weiß, dass es diesmal wirklich eine Suche war? Mein Hund hat sich in keiner Weise dafür interessiert, was hinter ihr los war und die Trainerin rannte wortlos mit. Es gab auch nix zu sagen, da hatte die Hoviline schon gefunden. Man kann an der Körperhaltung sehen, ob sie arbeitet und an der Leinenspannung merke ich (nicht immer, aber immer öfter), ob sie auf dem Trail läuft oder parallel dazu arbeitet oder ins Nirwana abgedriftet ist. Mein Manko ist noch, dass ich dann auch ratlos in der Gegend herum stehe. Idealerweise bringt man den Hund zurück bis zum letzten sicheren Punkt und nimmt von dort noch mal Anlauf. Oder man beendet das Ganze ohne zu finden.

 

Was mich (noch) stört am bisherigen Training?
Das Event, alte Spuren zu trailen mit zwei, drei Wochen Liegezeit. Jeff Schettler, einer der Ausbilder des FBI hält es bei über 12 Stunden für unrealistisch, dass ein durchschnittlicher Hund noch eine Chance hat. Ich habe keine vierbeinige Suchmaschine des FBI, sondern nur einen ganz cleveren Familienhund. Überhaupt mag ich keine Events, z.B. mit dem Boot 100 m übersetzen um in der Fußgängerzone zu trailen, oder auf dem Weihnachtsmarkt, Zielperson am Glühweinstand oder auf dem Kinderkarussell. Aber die muss ich ja nicht buchen.
Der Tag, als ein neun Wochen alter Welpe in Begleitung der ganzen neuen Familie zum Antrailen kam. Muss das sein? Kann das Tierchen nicht wenigstens zwei Wochen in der neuen Familie ankommen, bevor es „ausgelastet“ wird mit Nasenarbeit und allen Verwandten im Schlepptau? Aber Kunden werden nicht verärgert. Oder doch?
Dass ein triebiger Hund seit Jahr und Tag mit einem Norweger-Geschirr gearbeitet wird und bei tiefer Nase mit Druck auf dem Kehlkopf vor sich hin röchelt und die Trainerin das noch nie bemängelt hat. Da kann ich dem Besitzer noch so viele Videos von Hunden mit gut sitzenden Y-Geschirren zur Verfügung stellen, solange die Trainerin nix sagt, wird es gut sein.

 

Warum ich nicht sofort wechsele?
Wenn die Hoviline sich so gut zeigt, dann können wir (und meine Trainerin) bisher nicht alles falsch gemacht haben.
Der für einen anderen Hund gelegte „fire trail“ zur Motivation hat mich nicht so überzeugt, und warum ein überdrehter Hund im „geformten Sitz“ zur Ruhe kommen soll, das ist mir unklar geblieben.
Die Bewertung der Trailhaltung des Hundes allein wird mir nicht weiterhelfen, wenn der Hund auf eine interessantere Spur, etwa die eines Hasen wechselt. Die Trainingszeiten sind für mich sehr ungünstig und ich fahre 1,5 h einen Weg bei gutem Wetter. Das strengt mich an und ist auch teuer. Ab und an hinfahren und extern überprüft werden, das ist eine feine Sache, das werde ich wieder tun.

 

Nachwort: O.g. Freundin nimmt das Trailing wesentlich ernster als ich und sitzt als Runner auch schon mal zwei Stunden im Wald, wegen der längeren Liegezeit des Trails. Mit „Höckerchen“ und einem runter geladenen Film. Über die Wärmflasche im Winter schweigt sie sich aus. Finden tut ihr Hund höchstens in 50% der Suchen, was ihm nichts ausmacht. Das Suchen an sich schüttet genügend Glückshormone aus, logisch: Sonst würde jeder wölfische Urahn nach jagdlichem Misserfolg weinend in der Ecke gesessen und verhungert sein. Nicht zu finden enttäuscht höchstens den Hundeführer. Das und die kalten Füße sind der Preis für’s ehrliche Trailen.