Der sportliche Familienhund

„Wieso denn einen Retriever? Wenn Sie einen gesunden Hund haben wollen, warum nehmen Sie keinen Hovawart?“ Und der Herr ließ seinen schönen blonden Rüden, beweisen, dass auch das Fell richtig kuschelig ist: „Komm mal hierher und lass dich streicheln. Natürlich braucht er auch ein wenig Beschäftigung…“ Vor dem eigenen Hovawart hatte ich ja gedacht, dass es sicher viele Leute gibt, die ihren Hovi mal von mir Gassi geführt sehen wollen. Hat sich damals keiner gemeldet. Die Notvermittlungen der Vereine machten mir klar, dass ich mir keinen Hovawart aus zweiter Hand zutraue. „Kann leider nicht alleine bleiben“ oder „unverträglich mit Katzen, anderen Rüden, bei Hündinnen entscheidet die Sympathie“ oder aber „Beißvorfälle“: Oh, oh.
Also hab ich auf den Homepages der Züchter weiter gelesen. Da ist das Bild denn sehr gemischt, von kinderlieb bis sportlich alles dabei, mit schnuckeligen Welpenfotos und den großen Kuschelbärchen auf dem Sofa. Hätte ich noch verstehen müssen, was es denn heißt, „Selbstbewusst, Schutzhund, Territorialverhalten, wesensfest“.
Nochmal der Auszug aus dem Rassestandard des VDH, die Beschreibung der körperlichen Vorzüge erspare ich dem geneigten Leser, er schaue neben sich auf Teppich oder Sofa:

„Der Hovawart ist ein anerkannter Gebrauchshund zu vielseitiger Verwendung. Von der Veranlagung her ausgeglichen und gutartig, besitzt er Schutztrieb, Selbstsicherheit und Belastbarkeit, mittleres Temperament und eine sehr gute Nasenveranlagung. Seine harmonisch abgestimmten körperlichen Verhältnisse und eine besondere Bindung an seine Familie machen ihn insbesondere zu einem hervorragenden Begleit-, Wach-, Schutz-, Rettungs- und Fährtenhund.“

Alles klar? Schön, wenn man selektiv lesen kann. Anerkannt gutartig, harmonisch, besonders, Familie: Passt! Und das mit dem Gebrauch -  mal ehrlich: wer von uns braucht schon einen Hund, und wenn ja, wozu? Bei wem stehen regelmäßig böse Buben im Garten, ich meine, außer dem verängstigten Briefträger? Wer hat Haus und Hof zu bewachen, und wer verträgt das Echo einer Anzeige, wenn der Hund beim unangemeldeten Besuch tut, was er soll, wenn die Gartentür nicht, zur Sicherheit auch des Hundes, abgeschlossen war? Mir kann das nicht passieren, denn, wie erfuhr ich bei einem Lehrgang von einer Hundesportlerin: Mein Hund ist ja ein „Familienhund aus der HZD“.

Und jetzt lehne ich mich mal lässig zurück und gebe es zu: Ja, ich habe einen Familienhund. Wir waren in der Welpen- und Junghundestunde und auf dem HZD-Platz. Als meine Kleine sich unsicher zeigte bei kleineren Kindern, bellend vor unserem Haus stand und die Nachbarin ihren Sohn aufforderte, „doch da mal hin zu gehen“, da spätestens habe ich gemerkt, dass ich nicht auf den Verstand meiner Umwelt zählen kann. Immer wieder sind wir nachmittags an Kindergärten vorbeigelaufen, zum Gucken. Das Angebot eines kooperativen Vaters, seine 18 Monate alte Tochter zu Übungszwecken zur Verfügung zu stellen, habe ich nicht angenommen. Dann ohne rettenden Zaun (für meine Kleine!) ging es zu den Spielplätzen. Als ein kleiner Junge über ein Geländer kletterte und uns vor die Füße fiel, guckte sie nur.  Und ging weiter. Über Brücken, in Bushaltestellen, an Kühen und Schafen vorbei: Gegenverkehr jeglicher Art wurde geprobt. Flatternde Planen in Schrebergärten. Das Müllauto, die Baustelle. Der Briefträger, der klingelt, der Schornsteinfeger, der Fensterputzer. Teambesprechung auf der Arbeit. Die Fußgängerzone. Der Marktplatz. Der Strand. Das Einkaufszentrum. Der Sportplatz gehört uns am frühen Morgen alleine mit Wackelbrett und  Balancierstange. Radfahren findet sie toll, Klickern auch. Zwei Stunden am Tag sind wir draußen unterwegs, mindestens. Ein paar Übungseinheiten sind immer dabei, bisschen Unterordnung, mal eine Dummy-Suche, Beutestreiten mit der Beißwurst, die Suche nach meinem ewig verloren gehenden Handschuh, dann wieder mal ein Gang entlang der Einkaufsstraße: Im Dunkeln und bei Regen sieht das alles ganz anders aus. Einmal pro Woche gehen wir zum Mantrailing. Agility haben wir vor einigen Monaten entdeckt. Mein Hund macht einfach alles mit, und das mit Begeisterung. Und wenn sie dann feststellt, dass Rinder ok sind, aber nicht die furchterregenden Highland Cattle, dann gehen wir noch mal im Tierpark vorbei. Abends gibt es Wellness mit der Bürste und „Zähneputzen“ mit Leberwurst. Dann reicht es, uns beiden, meinen Familienhund und mir.