Keine Liebesheirat

Hundekauf ist keine Liebesheirat. Da vergucken sich beide, und nach drei, vier Jahren ist die Pracht rein statistisch in 50 % der Fälle mit einer Scheidung abgeschlossen. Hundekauf ist altmodisch. Der zukünftige Halter informiert sich im besten Falle vorher, was ihn erwartet, hat im Idealfall viel Glück und Freude. Herrli oder Frauli bleiben dem Tier treu bis in den Tod. Der Hund tut nichts anderes. Was bleibt ihm auch sonst übrig? Von den guten und die schlechten Tagen, die so eine Nicht-Ehe mit sich bringt, davon will ich heute berichten.

An guten Tagen der ersten Wochen geht die kleine Hoviline munter hinter mir her, wir verbringen vergnügliche Stunden von morgens um 5 (erster Bindungsspaziergang) bis abends. Die Welt wird entdeckt, erobert und bespielt, dazwischen gibt es immer wieder ein Schläfchen. An einem schlechten Tag kübelt sie sich die Seele aus dem Leib, ist ein Häufchen Elend auch nach dem Tierarztbesuch. Ich sitze daneben und mache mir Sorgen. An noch schlechteren Tagen falle ich morgens im Dunkeln hin, die Kleine rast erschreckt ins Irgendwo. Die Suchaktion mit der ganzen Familie verläuft erfolglos, ich heule und gehe nicht zur Arbeit. Eine Stunde später fährt das Kleinteil mit der Feuerwehr im Tierheim vor, ist um drei Futterdosen schwerer: Es sah so hungrig und verloren aus.

Mit 5 Monaten in der besten Junghundphase ist mein Hund so schlau, dass die Trainerin meint, ich soll ihr nicht so viel abverlangen, nur weil sie es anbietet. Am Strand ignoriert sie auf Wunsch ein vorbei galoppierendes Pferd und ich bin so stolz auf ihre Größe, die neuen Zähne, das lackschwarze Fell, als hätte ich sie gebacken.

Mein Hundchen ist oberclever und super gut erzogen, dann zehn Minuten später rein triebgesteuert. Die Hirnreifung bleibt hinter dem Körperwachstum zurück. Zack, jagt sie einem Blatt hinterher, springt an der zu langen Leine vor´s Auto, steht reizgeflutet in der Gegend herum und ignoriert mich. Es helfen: Kürzere Leine, Ruhe bewahren, OM sagen. Die Tapete leidet. Die Holztreppe ist angeknabbert. Der antike Schrank bekommt runde Ecken. OMOMOMOMOMOM. Als ich eines Tages von der Arbeit nach Hause komme und sie das Dreisitzer-Sofa quer durch den Raum gezerrt hat, um die Sitzfläche unter den Polstern und die Rückwand zu zerlegen, hilft kein OM. Ich nehme meinen Hund und geh spazieren. Lange. Dann schieb ich alles zurück und lege die Polster wieder auf, kehre die Trümmer zusammen. Geht, sitze ich heute noch drauf.

An ganz schlechten Tagen ist der Junghund krank, ich setze alle Tipps der Tierärztin bezüglich der Fütterung um, koche häufiger für den Hund als für die Familie. Laufe mit ihr zur Heilpraktikerin. Es dauert Monate, bis ich merke, dass ich in der hiesigen Praxis schlecht beraten bin. Seit dem Wechsel des Tierarztes ist die Hoviline anhaltend gesund.

Wir bereiten uns mit Kinder-Peng auf das erste Sylvester mit Hund vor. Hovilinchen lernt schnell: Ein Knaller bedeutet, dass es gleich Pferde-Pastinaken-Wurst gibt. Immer.

Mit 7 Monaten weiß mein Hund NICHTS mehr. Fuß???? Steht schräg hinter mir und staunt. Sitz? Bleibt da stehen. Den sicheren Rückruf hat Madame wohl nicht mehr vernommen, als sie am Nord-Ostsee-Kanal aus dem Auto hüpfte, einen 50 m hohen, steilen Abhang hochraste und verschwand. Es fiel mir nicht schwer, mich an die Regel: „Lauf niemals deinem Hund hinterher!“ zu halten. NIE wäre ich da hoch gekommen. Es gibt Momente, da könnt ich sie würgen, schütteln. In den besseren nehm ich sie an die kurze Leine und wir gehen in die Stadt und backen ganz kleine Brötchen. „Sitz“, Lob, Leckerli, und über "Platz" freu ich mir ´nen Ast.

Mit 10 Monaten fahren wir zum Lind Art-Seminar, und mein Hund ist hin und weg und begeistert, dass ich sie ENDLICH verstehe. Spielen, ohne den Respekt außer Acht zu lassen, Motivation pur. Es folgen der Hundeführerschein, die ersten Versuche im Mantrailing, inzwischen auch Agility. Nur anhaltendes Nichtstun, würde meine Kleine, die jetzt seit zwei Jahren bei uns wohnt, überfordern.

Unser Hund: Schön, klug, witzig, zuverlässig freundlich, stresstolerant und zu 90% gut erzogen. Die mich gelehrt hat, frühmorgendliche Spaziergänge zu schätzen, die mir jeden Tag ein bisschen schöner macht.

Welche Baustellen sind als Nächstes dran?

Die übrigen 8%. Meine Hündin frisst leinenlos alles außer Aas, was nicht bei „3“ auf dem Baum ist. Bei Freilandbarfing am Strand mit knackigen Krabbenskeletten mag das lustig sein, ansonsten eklig, manchmal gefährlich. Weiter Spaß haben. Gesund bleiben. Noch mal zum Lind Art-Seminar fahren. Wenn wir Langeweile kriegten, könnten wir ja mal den Flur tapezieren.