Tour de Force
Um 7.30 verlassen wir das Haus und gehen über die Germaniakoppel zum Strand. Besagte Koppel ist eine leidlich gut gemähte Wiese mit Blick auf die Kieler Förde und den noch winterleeren
Jachthafen. Die Hoviline ist guter Stimmung und wir spielen ein bisschen, üben Vorausschicken und das ausgeworfene Holzapportel ohne Knautschen blitzeschnell zu mir bringen. Ich stelle fest, dass
molekulare Spuren geworfener Käsestückchen auch nach dem Finden und Fressen derselben die Konzentration im Weiteren stören und wir ziehen weiter zum Strand. Der ist seit einer Woche für Hunde
gesperrt, weil ab 1. April die Menschheit baden geht. Und grillt. Aber der Förde-Wanderweg ist frei – so denke ich in meinem mittelalterlich-frühmorgendlichen Leichtsinn, und das haben alle
anderen wohl auch gedacht: ein letztes Refugium für freilaufende Hunde in der Brut- und Setzzeit. Die Truppe der Kleinen kommt mir zuerst entgegen, zwei Pudel, drei Halter und Charly. Den kenne
ich mit Namen, weil er nicht darauf hört und regelmäßig meine angeleinte Hündin nervt. Diesmal leine ich ab und als wir schon ohne weiteres an den sechsen vorbei sind und angeleint dem
widerwillig joggenden Labrador-Mix gegenüber stehen, dreht der Mann mit dem kleinen schwarzen Pudel um und rast von hinten an uns vorbei auf Joe und Hannibal zu, beide offline mit 65 cm
Schulterhöhe: „Guck mal, wer da kommt!“ Oh ja, die kenne ich mit Namen, weil sie mir vorgestellt wurden vor einiger Zeit. „Kennen wir uns schon? Das ist Joe, das ist Hannibal. Darf ich ableinen?“
Nein, denn Joe fixiert meine Hündin, seit wir in Sichtweite geraten sind. Auch diesmal baut er sich schon in der Ferne auf. Er ist in der Gegend als ein echtes Schätzchen bekannt, man zieht gern
große Kreise um ihn. Also leine ich demonstrativ an und warte, bis der Halter ihn –unangeleint- zur Seite bittet. Der Jogger kommt zurück, der Mann mit Pudel rennt wieder an uns vorbei zu seiner
Truppe. Die Frau mit Kinderwagen und Golden Retriever betritt die Bühne wie jeden Morgen, das ist kein Problem - für uns. Die Hoviline benimmt sich wie die Chefin, duckt sich und demonstriert mit
allen Fasern, dass ihr der Strandweg gehört und die Blonde nur geduldet ist. Als höflicher Mensch sollte ich das unterbinden, stattdessen verlasse ich mich darauf, dass wie immer nichts weiter
passieren wird. Madame ist tiefer gelegt und starrt die Blondine an. Die schnüffelt diskret an Grasbüscheln und tut verschämt, dann fliegt auch schon ihr Stöckchen und sie springt ins kalte
Nass.
Heute ist unser Tag, denn jetzt lernen wir Timmy kennen. Diesen Namen merke ich mir auch, denn er wird reichlich wiederholt, während ich mich mit der genervten Hoviline, wieder offline aus
paritätischen Gründen, und dem fiependen, offensichtlich potenten Rüden auf die Promenade zu bewege. Die Frau steht mit ihrem Fahrrad und ruft und hofft vergeblich, erhört zu werden, und ich bin
genervt und bringe das kniehohe Anhängsel nicht zurück. Da endlich kommt Goldie Nr. 2 ins Spiel. Der Blonde macht sich groß und breitschultrig, um seiner Angebeteten zu gefallen. Timmy ist
endgültig abgemeldet und verlässt zögerlich den Ort des Geschehens. Unterdessen mag man sich leiden und steht in den Stiefmütterchen. Da haben die Hunde natürlich nichts zu suchen, und deswegen
leine ich wieder an und biege ab, um Joe und Hannibal in die Arme zu laufen. Isses wahr! Der Halter hatte keinen Bedarf, sich mit den anderen vierbeinigen Herren der Schöpfung auseinanderzusetzen
und ist ebenfalls vom Fördeweg abgewichen ins Vogelschutzgebiet. Joe hat auch diesen Weg zum Territorium erklärt und ich warte, bis, siehe oben, er gemächlich an die Seite sortiert wurde. Grußlos
wie immer sind wir Menschen alle beide. Dem Radfahrer mit dem 45kg schweren Doggen-Boxer-Schäferhund, heute angeleint, dem traben wir jetzt nur noch quer über den Weg. Ich will nach Hause! Morgen
steh ich früher auf.
Fazit: Alles gut gegangen mit der Hoviline auf der morgendlichen Tour de force. Und ich habe keine Ahnung, wie Menschen ihre komplizierten Hunde anständig spazieren führen können.