Die Eier legende Woll-Milch-Sau
„Gut muss er aussehen, Geld muss er haben, schlafen kann ich auch alleine.“ Das war die bisher kesseste Kontaktanzeige, die ich im Lokalblättchen lesen durfte. Familienplanung sieht anders aus. Was heißt das für die Züchterin in spe? Wir sind auf der Suche nach Mr. Right für unsere Prinzessin, aber worauf wollen wir unser Augenmerk richten? Gut aussehen, joah, das ist schon nicht schlecht… hätten wir gerne, so richtig hübsche Hundewelpen. Und für manche Käufer ist es maßgebend, ob der Hund sich später auf den Schauen in den vorderen Rängen umher treibt. Da wird auf einer Homepage neben dem derben knochenstarken Typ das „schöne dunkle Auge“ als Zuchtziel genannt. Das viel gelobte satte Nasenpigment der Blondine toppt die geraden Beine und guten Winkelungen der Hinterhand. Denn wer kann schon so weit gucken?
Jeder Jeck ist halt anders. Wie sehr schränkt mich die „nur in der Erregung hoch getragene Rute“ (Zitat Richterbewertung auf Hundeschau) meines Hundes im Alltag ein? Schmerzen macht die nicht, sagt unsere ehemalige Zuchtleitung. Und wie Frau Eichelberger in der hovi live Ende 2018 feststellt, ist der phänotypisch GESUNDE Hund erstrebenswert. Und wenn es den schon nicht gibt, denn irgendwas ist immer, dann solle man bitte vom Leidensdruck des Hundes aus bewerten.
Im Laufe der letzten beiden Jahre habe ich mich mit diversen möglichen Erkrankungen im Pedigree von möglichen Deckrüden beschäftigt. Es war einfacher damit anzufangen, als durch die Republik zu fahren und unterwegs zufällig dem Richtigen über den Weg zu laufen. Die Liste ist nicht vollständig. Ich bin kein Tierarzt. Alles Folgende ist nicht der Weisheit letzter Schluss, es sind nur meine ganz privaten Gedanken und Ansichten. Und wahrscheinlich in Teilen sogar fehlerhaft. Nach dieser Vorrede folgt:
Meine persönliche Mängelliste, die Bewertung erfolgt ohne Sterne.
Nach innen wachsende Wimpern am Auge sind in einer Kurznarkose weg gelasert. Fehlende Zähne führen eventuell zum Zuchtausschluss und der Hund kann sich im Alltag und im Sport dennoch köstlich mit Herrli und Frauli amüsieren. Helle Augen, Marken zu viel oder zu wenig? Tja, dann gibt`s halt kein „Vorzüglich“ auf der Schau.
Und nun? Die Hüfte? Da ist der Hovawart insgesamt gut davor, bei inzwischen noch strengerer Begutachtung als vor 2014, das neue A und B (Verdacht auf Dysplasie) entspricht dem alten A (Alles gut). Und auch mit einer C-Hüfte wird der Hund, so sagt man mir, wahrscheinlich sehr, sehr lange gut durch‘s Leben gehen. Laufen. Rennen! Vielleicht muss es dann nicht IPO sein oder Agility, aber Radfahren mit Hund, Obedience, Tricksen und jegliche Form der Nasenarbeit machen richtig Jux.
Im schlechtesten Sinne haarig finde ich persönlich entzündliche Hauterkrankungen, juckend, nässend. Wie anstrengend. Jucken ist gruselig, sagt die Neurodermitikerin. Söckchen, damit der Hund sich die Füße nicht auflecken kann. Haarlos fehlt dem Hund der Sonnenschutz. Wohlgemerkt, auch dies ist nicht häufig.
Herzfehler. Natürlich gibt es die auch angeboren, das ist eher selten, und erworben, das ist häufiger. Der bis dahin klinisch gesunde Hund erhält mit 8 Jahren den ersten Ultraschall und eine Diagnose: Dilatative Kardiomyopathie, Erweiterung aller Herzhöhlen mit entsprechender Fehlfunktion der jetzt undichten Herzklappen: Die wachsen nämlich nicht mit. Beim Menschen sind die Ursachen vielfältig: Infektiös, toxisch, Vitaminmangel, Schwangerschaft, hormonell, immunologisch, selbst das Syndrom des gebrochenen Herzens wird aufgelistet. Und beim Hund? Da scheint die Forschung noch nicht so weit zu sein, und bis dahin heißt die Ursache meist „idiopathisch“, will sinngemäß übersetzen „Von alleine gekommen“ oder „Da weiß man noch nichts Genaues“. Vorrangig große Hunderassen seien betroffen. Nun ja, den Hovi gibt es nicht als mini oder toy-Version.
Jetzt wird es selten und angeboren. Der Lebershunt (korrekt heißt es Portosystemischer Shunt, kurz PSS) ist eine angeborene Missbildung des Blutkreislaufs der Leber. Das aus dem Darm kommende, an Nährstoffen reiche Blut wird primär über die Leber geleitet, gefiltert und dann erst in den großen Blutkreislauf geschleust, der alle übrigen Organe versorgt. Ein Shunt ist ein Kurzschluss, der dafür sorgt, dass je nach Schwere der Missbildung unterschiedliche große Anteile des Blutes an der Leber vorbei ungefiltert in den Kreislauf eingeschleust werden. Mit Nährstoffen. Mit Giftstoffen. Je nach Ausprägung mäkelt bereits der kleine Welpe und gedeiht nicht. Oder es ist ein Zufallsbefund beim Ultraschall, Jahre später. Die Zahl der aufgetretenen PSS über 25 Jahre der Dokumentation in Datenbanken (dogbase) ist seit vielen Jahren unter 0,3%. Das überrascht insofern, dass inzwischen die Untersuchungsmethoden viel genauer geworden sind und die zunehmenden technischen Möglichkeiten auch in der Veterinärmedizin eher genutzt werden. Der komplexe Erbgang ist unklar, man geht von mehreren Genen aus. Beim Blick auf die Pedigrees könnte der Eindruck entstehen: Immer, wenn man sich sicher wähnt, dann kommt ein Shunt vorbei. Der Umgang bei der Wurfplanung ist -je nach Zuchtverein und immer auf wissenschaftlicher Basis- unterschiedlich. Von „Kann man nichts machen außer dem Zuchtaussschluss betroffener Hunde“ bis hin zur Begutachtung der Seitenlinien in sechster Generation und Abschmettern der geplanten Verpaarung. Die Zahl der erkrankten Hunde blieb unabhängig davon unverändert niedrig im Promillebereich. Die Behandlung des betroffenen Hundes erfolgt bei milden Formen mittels lebenslanger Diät bei schwereren mit einer OP, im schlimmsten Fall erfolgt die Euthanasie.
Na, jetzt bin ich ein bisschen abgekommen vom guten Aussehen. Was heißt das denn für die Zuchtplanung? Und für den Hundehalter? Größer, schöner, sportlicher oder doch vom derben Typ?
Es heißt für mich, jeder einzelne Züchter sollte versuchen die bestmöglichen Welpen zu planen. Die soweit bekannte gesunde Mutterhündin und deren Wesen sind die Bank. Der Papa soll entsprechen, die Geschwister der Eltern sollte man auch im Auge haben. Der Zahnfehler des Onkels vor fünf Generationen kratzt mich nicht. Und den Welpenkäufer wahrscheinlich weniger als ein weißer Brustfleck.
Es heißt für mich, die Hovawarte sind gut davor. Seltenes ist selten, schwere Erkrankungen sind es auch. Die lackschwarze Farbe der Hundenase ist der Schokostreusel auf der Kirsche auf dem Sahnehäubchen meines Cappucino. Nach dem Essen.
Wenn mein Hund mich angrinst, wenn ich nach der Leine greife und sie mich dann draußen immer wieder erwartungsvoll anschaut, weil wir jetzt ja was zusammen unternehmen und dann am Strand auch mal große Achten zieht vor lauter Lebensglück, dann könnte ich über die Rutenhaltung hinweg sehen. Die ist bei der Hoviline übrigens korrekt, wenn auch ´n büsschen knapp in der Länge.