Der Vereinsmeier – eine bedrohte Spezies?
Wenn ich beim Mantrailing unterwegs bin, dann höre ich mir natürlich auch von anderen stolzen Hundeführern an, wie toll ihr hündischer Partner ist. Wer singt nicht gerne Lobeshymnen über das
vierbeinige Wesen am Ende seiner Leine? Und ich nehme zur Kenntnis, wie lästig Vereine sind, zumal Zuchtvereine: „Meine Labradorhündin ist
reinrassig, meine Züchterin ist Tierärztin und der Meinung, dass jeder Hund sich mal vermehren soll. Das gönnt sie all ihren Hündinnen.“ Der wundervolle Nachwuchs wurde nach der ersten Läufigkeit
kastriert, von der Züchterin persönlich. Die ist nämlich auch die beste Tierärztin der Welt. Für den schwarzen Labrador Nr. 2 gilt das Gleiche. Auch ihre Züchter halten nichts vom Zuchtverein.
Sie halten zwei tolle Hunde, das reicht für die Qualität. Und der Malinois der Trainerin genauso. Dessen Verkäuferin (und außerdem Hundetrainerin) hat die Verpaarung geplant nach Kriterien, die
ihr der entsprechende Zuchtverein nicht bietet. Beim ebenfalls anwesenden Rhodesian Ridgeback hingegen waren nicht mal beide Eltern toll, aber was sein muss, muss sein. Alle haben sie reinrassige
Hunde, die ohne Papiere glücklich sind.
Ich will jetzt nicht weiter auf neue treue Familienhunde gekreuzt aus Kangal und Hovawart eingehen, oder warum sämtliche Mischungen mit Labrador und oder Pudel völlig hipp sind. Familienhund,
kinderlieb, hypoallergen und dreckfrei müssen hier als Schlagwörter genügen.
In unserem Fall weiß ich gar nicht, wie viele Vereine außerhalb des VDH sich der Zucht des richtigen, des einzigen, des ursprünglichen Hovawarts verschrieben haben, weil der VDH so schrecklich
ist, weil die im VDH organsierten Vereine das mit der Ursprünglichkeit nicht hinkriegen oder whatever.
Die Frage nach dem Gebrauchswert meines Hundes macht mir keine schlaflosen Nächte. Sportlicher Familienhund, passt schon. Aber ich kriege die Krätze, wenn jemand auf seiner Website sieben
vermehrungsfähige Hündinnen und bis zu drei Deckrüden präsentiert, von denen einer sinngemäß zitiert: „aus einer schlechten Aufzucht stammt“ und von den anderen Hunden und dem Neffen im jungen
Teenageralter innerhalb weniger Wochen „gut sozialisiert“ wurde. Herzlichen Glückwunsch. Wenn ein schicker Deckrüde und ehemaliger Champion auf ebay-Kleinanzeigen angeboten wird für jedwede
Hündin. War es nicht sogar mit Erfolgsgarantie? Es ist zum Kotzen, wenn es nur noch darum geht, dass der Hund den Halter mit etwas Taschengeld versorgt. Aber was kannste machen? Der Hund hat den
Titel, und der Besitzer ist nicht mehr im VDH-Verein. Mit Rauswurf drohen ist nicht mehr. Nun könnte mich das alles ganz kalt lassen. Mein Gott, vielleicht ist der Mann eine arme Socke und
braucht das Geld zum Heizen? Und es gibt ja auch Züchter anderer Rassen mit 48 Welpen im Jahr.
Nein, was mich aufregt, das ist das Schnorren, die Abzocke. Andere Leute sind im Verein und fahren ihre zukünftigen Zuchthunde zu Schau, Verhaltenstests, Gesundheitsuntersuchungen. Sie füttern die Datenbanken, um für die Zuchtplanung der Zukunft Gesundheitsdaten zu erhalten, als Solidarsystem. Sie schlucken trocken, wenn der Hund nicht allen gestellten Ansprüchen genügt und als Zuchthund ausfällt. Sie freuen sich, wenn es Nachwuchs gibt und stellen sich mit ihm der Nachzuchtkontrolle.
„Ach nee, so eine Vereinsmeierei, das liegt meiner Züchterin nicht.“ Ach nee, das wäre ja auch Risiko, und wer kann schließlich besser als so eine unabhängige „Züchterin“ beurteilen, was recht
und billig ist? Genau, es ist billig. Klar, man kann auch dort einen anständigen Hund kriegen, wo es billig ist, und damit meine ich nicht unbedingt preisgünstig. Es ist billig, andere für den
Erhalt von Qualitäten in einer Hunderasse die Arbeit leisten zu lassen und davon zu profitieren. Schmarotzer halt.
Man müsste sich eventuell in Frage stellen lassen und auf die Probe: Ist das wirklich ein Hund, der -in unserem Fall- den Namen Hovawart verdient? Das müssen die Vereinsmitglieder auch, siehe oben. Nicht jeder Hund erhält die Zuchtzulassung. Und ja, es ist Vereinsmeierei. Denn ohne Ehrenamt würden die
Verantwortung ganz in Händen der selbst ernannten Züchter und autodidaktischen Experten liegen. Zucht ist keine Angelegenheit, die sich im Verkauf einer gelungenen 1.Generation erschöpft, egal,
wie gut die Aufzucht war.
Ja, aber im Verein läuft auch nicht alles rund. Stimmt, das Leben ist kein Ponyhof, und wem es nicht gefällt, der kann was ändern, indem er sich engagiert: in der Ausbildung, als Körmeister, als Organisator von Veranstaltungen oder als Caterer am Kuchenbuffet und Grill, meinetwegen als Züchter mit allen nötigen Fortbildungen und Voraussetzungen. Denn all das und gelegentlich auch neu entstehende Freundschaften zwischen hundeverrückten Menschen bietet der Verein neben dem Engagement um den Erhalt eines rassetypischen, gesunden Hundes. Ich bin naiv genug zu glauben, dass das Vereinsleben weiter gedachter Eigennutz ist. Mein nächster Hund soll schließlich auch ein Hovawart sein.