Die Entdeckung der Langsamkeit

 

Ohne Welpe zum Creapuppy-Seminar gehen, das ist schon etwas Besonderes. Aber: Wenn es denn im Frühling klappt mit unseren Welpen, dann soll ein Hundchen bei uns bleiben.

 

Also bin ich zu Besuch beim Hundeverein Lütjenburg. Aliki und Gaby sind da mit einigen Traineranwärterinnen, dazu sieben Welpen und ihre neuen Besitzer, fünf davon Hovawarte, 12 bis 14 Wochen alt, noch richtig lütt.

 

Thema Nr. 1. Ist die Box, der Kennel als Ruheort für Zuhause, im Auto und als sichere Verwahrung später, etwa im Hotelzimmer, auf Seminaren. Aliki wird nicht müde, das Ruhebedürfnis von Welpen zu betonen. 20 Stunden Schlaf brauchen die Kleinen täglich, und entsprechend dieser Bedürfnisse ist das Tagesseminar gestaltet. So wechseln Ruhe und Aktion, es gibt viele Pausen für die Welpen und Hirnfutter mit Trockenübungen für die Welpeneltern. Denn, so sagt Aliki, die Kleinen brauchen noch keine Hundeführer, sondern Eltern. Eltern, die sie ermutigen und ihnen einen klaren Rahmen vorgeben.

 

Bei der Kommunikation mit dem Hund wird den Menschen Aufmerksamkeit für dessen Signal abverlangt, den kurzen Blick zurück. Die Antwort des Menschen kann zum Beispiel eine Freigabe zum Spiel mit einem anderen Hund sein. Also üben wir den Namen und das überschwängliche Loben des kleinen Hundes für seine Reaktion, das Umschauen des Welpen, das Hinlaufen zu Frauli oder Herrli, Glücksgefühl und Leckerli sind Belohnung für die Kontaktaufnahme. Den Welpeneltern beschert es ebenfalls Glücksgefühle, ihren kleinen Hund so wundervoll klug zu erleben.

 

Es folgt das „Parken“ des Hundes in einer Ruhestellung, danach eine Kooperationsübung: Für‘s Umschauen zum angeleinten Herrli wird das aufgestellte Futterschüsselchen frei gegeben, in Schritt Zwei geht das Kleinteil zusammen mit Frauli weg von der Schüssel und wird aus der Hand belohnt.

 

Selbst die Kleinen machen schon keinen Handstand mit Überschlag mehr für schnödes Trockenfutter, wenn zuhause morgens, mittags und abends das leckerste BARF-Menü wartet. Wie gut, dass es wasserdichte Belohnungstäschchen zur Mitnahme gibt, oder Käsewürfel und Würstchenscheiben.

 

In der Mittagspause wird besprochen, was der Unterschied ist zwischen Belohnen und Locken oder gar Bestechen, warum es nicht sinnvoll ist, Erziehung zu keksen, und welchen Einfluss mangelnder Schlaf auf die Impulskontrolle hat: Nach müd‘ kommt blöd. Überhaupt ist Impulskontrolle immer gut, und wer beim Hund den „An“-Knopf gefunden hat, muss das Schätzelein auch runter regulieren können, mit Auszeit in der Box, Parken, Halteübung, je nach Situation.

 

Und was mach ich, wenn der kleine Hund „am Watschenbaum rüttelt“, sich gegen meine Begrenzung verwahrt, mich anspringt, in die Hand schnappt oder gar ein Lippenpiercing setzt? Jetzt sofort und deutlich eine Grenze setzen, mit einem „Hey“, einem wohl dosierten Schubs, oder so, wie es die erwachsenen Hunde tun: flach legen und ruhig halten, bis der Kleine wieder weiß, wo oben und wo unten ist. Erziehung beginnt mit dem Einzug, lange bevor das Bröckchen 30 bis 45kg Lebendgewicht erreicht hat.

 

Was mich nicht stört, das korrigier ich halt nicht. Mein Hund soll mit mir auf’s Sofa? Dann lass ich ihn eben. Wenn er im Weg liegt, darf ich drüber steigen und muss ihn nicht hochjagen, kann ihn aber weg schicken, wenn er beim Putzen stört.

 

Nach der Mittagspause folgen noch Spiele mit dem Welpen und der „kleine Rückruf“. Dabei wird das positive Verknüpfen des Namens wiederholt, es regnet Lecker und Lob, und auch der Mini geht erst nach seiner Freigabe. Der Aufregung folgt immer wieder die Ruhe.

 

Fazit: Es war sehr schön auch ohne eigenen Welpen. Die Hundebabys anderer Leute sind entzückend. Es waren erste Schritte für die Kleinen und ihre Besitzer, keine Hexerei, aber alles wichtige Basics. Die Hundchen werden am Nachmittag alle völlig geplättet vom Platz gebracht, trotz Ruhepausen und Theorievorträgen zwischendrin. Man wünschte sich, dass auch in den Hundeschulen und Welpengruppen der Vereine ein solches Fundament gelegt würde.

 

Die Theorie fand ich erst nicht so spannend, aber dann beim Nachlesen zuhause fällt mir auf, wie wichtig die Langsamkeit, das Unspektakuläre ist. Es sind halt kleine, sehr junge Hunde, keine großen, fordernden „Kracher“. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass mir die Geduld davon läuft, und ich Ruhe bewahren soll. Das kenn ich ja schon.

 

Aliki, die Seminarleiterin, macht deutliche Unterschiede zwischen Erziehung mit klarer Kante und Training mit vor allem positiver Bestätigung. Ich bin gelegentlich wischiwaschi und finde, Erziehung kann auch Spaß machen. Im Umkehrschluss habe ich einen Hund, der mit großen Erwartungen an jeden Spaziergang heran geht: „Oh, wie schön, was machen wir jetzt?! Und jetzt?!“ Das muss man mögen oder auch mal ignorieren können. Ich mag es und wir spiel-üben auf jedem Spaziergang. Frühstück gibt es unterwegs, Abendessen zuhause.

 

Das Liegenlassen vom Fressbarem würde ich beim nächsten Hund anders aufbauen, ohne Tauschgeschäft wie im Anti-Giftködertraining gelernt, wahrscheinlich auch ohne Spritzflasche. Klar ist allerdings, dass es mit „Pfui!“ allein auch beim nächsten Hund nicht klappen wird. Schau‘n wir mal.