Trainingserfahrungen 2

 

Trail or no trail? Das ist die einzige Frage, die am kommenden Wochenende zählen wird, denn Conny von den „Mantrailern Rhein-Ruhr“ kommt nach Schleswig, weil Christoph in Österreich fest sitzt und sie nicht nach Antwerpen reisen kann. Ringtausch, Corona, Quarantäne, Sperrgebiet, Gott sei Dank ist noch kein neuer Lockdown ausgerufen, und plötzlich gibt es noch einen freien Platz im Workshop Mantrailing. Willst du nicht …? Ja!! Ich will!!! Ein bisschen seltsam ist es, drei Trainingstermine nach Wechsel von Trainer und Methode noch einen drauf zu setzen. Das Vokabular ist anders, das Handling des Geruchsartikels auch, Endpool heißt jetzt wahlweise Alarm oder Proximity, und meine 7,50m lange Leine ist ewig zu kurz, und ich soll nicht immer gleich mitgehen und den Hund so elend vorwärts schieben. Ich hatte berichtet, warum ein Wechsel nötig war, aber dennoch, es ist eine Herausforderung. Kann ich überhaupt ohne Trainer-Navi meinen Hund führen? Am letzten Termin vor dem Workshop gibt es für die Hoviline zum Über-Motivieren den ersten Firetrail ihres Lebens: Visuelle und akustische Reize werden zusätzlich genutzt, um den Hund anzufeuern beim Hinterherflitzen und beim Aufnehmen eines kurzen Trails mit raschem Erfolgserlebnis. Auf, auf zum fröhlichen Jagen! Wir sind bereit.

 

Am Samstagmorgen um 6 gehe ich mit der Hoviline eine Runde, denn den Rest des Tages wird sie überwiegend im Auto verbringen. Um 7.30 gibt es Frühstück für uns beide und um 9 kommen wir mit Sack und Pack am Treffpunkt an. Der Schleswiger Wald bei Schloss Gottorf bietet alles, was das Trailerherz begehrt. Erstmal gibt es für alle Teilnehmer einen kurzen Trail ins Grüne, für mich das schwierigste. Die Hoviline hat Speed, und ich passe nur auf, dass ich mich nicht in Büschen und Brombeeren verheddere. Leinenhandling ade, Hauptsache, ich falle nicht hin. In dem schmalen Waldweg mit Durchzug, den wir kreuzen, wechselt der Hund auf Witterung. Wir gehen 50 m zurück, am liebsten würde sie jetzt durchs Gestrüpp nach links (direkt dahinter ist wohl der Runner, die „vermisste Person“) und ich will zurück auf die Spur. Wir einigen uns auf meinen Umweg; ich habe mich nicht mit Ruhm bekleckert.

 

Am Nachmittag wird es stürmisch und damit anspruchsvoller. Der Weimaraner mag nirgendwo laufen, wo es ihn in die Füße pieken könnte, die Labradorhündin arbeitet sich bei Windstärke 4 auf freier Fläche und in den Wirbeln eines Innenhofes ab, der Akita möchte gar nicht erst starten und die Malinois hängt ihrer gestressten Hundeführerin bei jedem zweiten Schritt im Jackenärmel. Der Führer der Magyar Vizsla-Hündin ist höflich genug, die Trainerin anzuschauen statt auf das andere Ende der Leine zu achten und verpasst deren Anzeigen. Und ich? Wenn es nach zehn Metern eine gute Idee wäre, zurück an den Start zu gehen, aber nein, weiter zurück geht nicht mehr. „Da vorne hatte sie doch Trail:“, sagt Conny. Ich kriege die Kurve und die Hoviline kommt in Fahrt, zeigt korrekt die Negative, steuert mich zügig durch den mit dem Geruch aller Teilnehmer kontaminierten Innenhof, zweimal rechts, schließt Abzweigungen aus, Negativ, Negativ, von hinten tönt es: „Nicht rennen!“, dann geht es links die 20 m lange Treppe hinunter, ich kann den Runner weitere 50 Meter tiefer am Hang sehen. Aber der Geruch zieht die Hoviline nach rechts auf den Hohlweg, und meine Sicht zählt nicht. Wir machen noch einen Umweg, aber dann ist es geschafft. Das Feedback lautet: Bei Schnüffeleien an Pipistellen sollte ich konsequent sein und nicht mal so, mal anders entscheiden, ob das nun okay ist oder unerwünscht. Vor Anmotzen gebe es noch drei nonverbale Abstufungen für mich, private Schnüffeleien zu beenden. Alle Schwierigkeiten hat die Hoviline sehr gut gemeistert. Nach der Treppe hätte ich viel langsamer sein müssen, „schneckengleich“ werden, wenn der Hund im „Proximity“ Gas und Gummi geben will.

 

Auch am zweiten Tag heißt es: Um 6 Uhr aufstehen und um 9 am Start stehen, diesmal nehme ich mir ein belegtes Brot mit statt nur eines Apfels. Stehpool, ausgedehntes Hin und weg, das alles ist kein Problem für die Hoviline, aber meine Leine ist zu kurz, immer noch. Und nachmittags, kurz vor Schluss, kommt das, was mir als der „Hänsel und Gretel –Trail“ in steter Erinnerung bleiben wird. Der sonntägliche Parkplatz dreier umliegender Discounter ist verwaist, aber ESSEN gibt es überall. Die diätgeplagte Hoviline möchte zu Fundstück Nummer 1, einer Semmel, auf der bereits der Fuß der Trainerin steht, findet Nummer 2 und schluckt auch ohne Wurst mit Senf, geht auf Sicht für Nummer 3 – „Da lässt du sie jetzt nicht ran!“ Ich kriege die Hoviline an der Thunfischdose vorbei und genau auf dem Trail liegt dann Hotdog Nummer 4, das ich ihr schimpfend auf dem Maul fische, 10 Meter vor dem Versteck des Runners. Ich hätte abbrechen sollen. Wenn alles andere wichtiger ist als die Suche, dann sei Feierabend. Ob wir schon mal das Ignorieren von Essbarem geübt hätten? Ja, die letzten sechs Jahre, Gott ist das peinlich. Die Hoviline steuert auf dem Rückweg zu den Autos das Blatt eines Blumenkohls an und Conny lacht. Ja, einmal die Woche müsse der Hund schon gefüttert werden. Nach dem Abschlussfoto und Erhalt der Teilnamebestätigung fahre ich nachhause. Ich fühle mich fiebrig und bin froh, dass ich nur noch das Warme essen muss, das mein Mann vorbereitet hat, bevor ich notdürftig geduscht ins Bett falle.

 

Fazit: Ich war nach zwei Tagen geschafft und weiß jetzt, dass drei Tage für mich zu viel gewesen wären. Die Ideen, für den Akita den Start aufzulockern, weg von nur einem Fixpunkt mit mehr Ruhe und weniger Publikum und mehreren Geruchsartikeln am Start, die aufgeregt schnappende Malinois am Start mit ruhigem Umhergehen zu akklimatisieren, die fand ich sehr spannend. Ich selbst war sehr aufgeregt, und das konnte die Trainerin gut ausgleichen. Schön war, dass sie mich auch Negative hat ausarbeiten lassen, wenn ich dachte, dass es so für die Hoviline und mich passt.

Ein für mich hilfreicher Satz war, dass ich als Hundeführerin dazu da bin, meine Hündin bestmöglich zu unterstützen. Das bedeutet auch, nicht laut mit mir selbst zu zanken, wenn ich einen Fehler mache. Denn das bezieht die Hoviline auf sich, und das tut ihr nicht gut. Kommandos, die sie beherrscht, wie: „Warte.“ und: „Weiter.“, die darf ich ruhig benutzen.

Zwischendurch ist mir noch meine Freundin Judith eingefallen, die mal sagte, bei doppelblinden Trails komme sie allenfalls in 50% der Fälle an. Das war für mich wichtig, weil Ankommen natürlich super ist, aber darum geht es beim Training eben nicht (nur), sondern ums Besser werden und ums Ausprobieren von Schwierigkeiten.

Ich werde mir eine 10 m-Leine anschaffen und mich weiter bei Trails filmen lassen, um sie anschließend nochmals zu überdenken. Und ich werde zukünftig wieder darauf achten, dass die Hoviline wieder mit „Sitz“ die gesuchte Person anzeigt und dann erst die Belohnung auftaucht. Das verschleift sonst bei uns.

Auf das nächste Seminar im Frühling freu ich mich schon.